Die Sache mit den Trends im Sport

27.10.2023

Es ist heutzutage nicht leicht eine Meinung zu haben. Sie sollte fundiert und begründet sein und das ist in einer komplexen und hochtechnisierten Welt nicht einfach. Während das Verstehen von komplexen Vorgängen sowieso nur mehr Spezialisten und Wissenschaftlern vorbehalten ist, versuchen wir zumindest nicht den Überblick zu verlieren. Gefangen mit selektiver Wahrnehmung, Halbwissen und Emotionen sieht man oft nur das, was man sehen möchte. Das nennt sich der sogenannte Bader-Meinhof-Komplex.

Bei mir gehen diese Meinungsbildungsansätze oft mit dem Sport einher, welcher mich mittlerweile seit 35 Jahren begleitet. Ich habe in ganz jungen Jahren halb-professionell mit dem Mountainbiken begonnen. Ein lieber Bekannter hat mich unter seine Fittiche genommen. Das war ca. im Jahre 1996 und wir fuhren mit Starrgabel, STX Komponenten und Felgenbremsen. Die Mag-21 Federgabel von Rock Shox war eine der ersten Öl-Luft-Bad Federgabeln mit 38mm Federweg. Lieferzeiten von Rock Shox aus Amerika waren 6 Monate.  Man wurde mit einem Mountainbike entgeistert am Land angesehen mit der Frage: "Ihr fahrt damit den Berg hinauf? Wie geht das?" Eine ähnliche Entwicklung konnte ich beim Windsurfen am Neusiedlersee miterleben. Ein paar wenige Individuallisten surften mit furchtbar schlechtem Material, weil es nichts Besseres gab. Auch der Skisport hatte eine ähnliche Geschichte zu erzählen bevor der Carver und der Rockerski kam. Man musste alles mit Technik und Können ausgleichen. Erfolge waren schwer erarbeitet und langwierig . Das Klettern habe ich 2003 angefangen und es war im Gegensatz zu Salzburg und Tirol noch eine Randsportart in Ostösterreich. Bei uns im Osten wurde lieber Wein getrunken und deftig gegessen, als auf Berge gestiegen.


Alpenverein 1990...         22.254 Mitglieder

Alpenverein 2023...      710.000 Mitglieder


Nun ein Sprung zur Gegenwart. Das E-Bike ist das meistverkaufteste Bike in den letzten 3 Jahren. Die Technik ist ausgereift und die Leute scheinen das notwendige Kleingeld zu haben, sich das Leben mit Zusatzantrieb zu erleichtern. Der Roland Düringer würde es wohl "Beinprothese" nennen. Bikeparks mit Lift und Gondel sprießen aus dem Boden und geben Trends für Bekleidung, Tattoos und Instagram-Storys vor. Vorbei die Zeiten, wo wir einsam den Wienerwald unsicher gemacht haben. Ähnlich auch die Entwicklung im Windsurfsport. Es gibt jetzt Kiten, Foilboarden, Wingsurfen oder Wingfoilen. Die Bretter sind kurz und breit und ermöglichen schnelle Erfolge. Fiel man früher ca. 1000 mal ins Wasser bevor man das Gleiten erlernt hatte, sind es heute nur 50 mal. Die Sportindustrie hat erkannt, die Menschen haben keine Zeit mehr für langwierige Sportarten, die schwer zu erlernen sind. Wenn ich Masse verkaufen will, dann brauch ich eine niedrige Einstiegsschwelle und schnelle Erfolge. Im Prinzip gut für den Einzelnen, aber das hat natürlich Auswirkungen auf die Gesamtheit und auf die Natur. Die frühen Individualsportarten gibt es nicht mehr. Sie haben sich aufgelöst in Breitensportarten. Alle gehen jetzt schnell mal Kiten, in den Bikepark oder auf einen Klettersteig. Skipisten und Flowtrails werden geglättet und planiert, damit auch der letzte Anfänger unfallfrei unten bei der Jausenstation voll Freude in seinen Bio-Burger beißen kann und das Spaßfeeling nicht verloren geht. Ähnliche Trends gibt es mittlerweile auch schon beim Paragliden. Einen Berg hinunterzugehen, gehört in manchen Regionen schon genauso zur Besonderheit, wie ihn mit dem Bike stromlos hinaufzufahren.

So jetzt kommen wir wieder zu dieser Meinungsbildungssache. Ich habe meine persönliche Meinung dazu und bin deshalb oft etwas verwundert über den Mainstream im Sport. Wo früher einzelne Individualisten ihre kleinen Spuren hinterlassen haben, sind jetzt die Trampelpfade der Vielen. Sei es, wenn man sich auf einem Fixseil auf den Everest hochzieht, am Glockner im Stau steht, oder man in Arco am Kletterspot keinen Parkplatz mehr findet. Individual Sport lebt vom persönlichen Erlebnis und einer gewissen Freiheitssuche, aber das scheint sich momentan zu ändern. Man gewöhnt sich an das Bild von verstauten Parkplätzen und Gipfelkreuzen am Wochenende. War es früher der Tennisplatz oder das Fitnessstudio, so ist es jetzt die Boulderhalle, der Klettergarten oder die Modetour mit Bergführer, die heillos überlaufen ist. Diese Entwicklungen passieren oft einfach und können daher nur schwer gesteuert werden, dennoch muss ich mich wundern, wenn dem letzten Wanderer ein Klettersteig-Kurs eingeredet wird oder das nicht-schwindelfreie Kind heulend in der Kletterwand sein Dasein fristen muss? Vielleicht wäre es angesichts der Massen am Berg auch einmal an der Zeit, die Berge nicht noch künstlich zu bewerben?

So Gedankenblog Off - wünsch euch trotzdem schöne Erlebnisse am Berg. Es gibt eh genug unberührte Fleckerln, abseits der Hot-Spots.

@ 2021 Mag. Gabriel Alexander 
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